Montag, 7. Januar 2008

Sarapeion B

Lage:

Das Heiligtum befindet sich hoch gelegen auf einer Terrasse auf felsigem Grund. Hinter dem Areal, in östlicher Richtung, steigt der Hang weiter an, während er nach Norden stark abfällt. Am Fuße des Heiligtums, auf einem wesentlich tieferen Niveau, befinden sich Läden, eine Straße und das Inopus-Reservoir.

Plan:

Abb. 11.1: Sarapeion B, Grundrissrekonstruktion, nach: Roussel 1915/16.

Forschungsgeschichte:

Das Sarapeion B wurde 1910 ebenfalls von P. Roussel ausgegraben. In dem Aufsatz von H. Siard wird kurz auf das Sarapeion B eingegangen.

Größe in m²: ~ 390 (Hlg), ~ 31,5 (Tpl)

Architektur und Ausstattung:

Abgrenzung:

Das Heiligtum war an seiner West- und Südseite von Läden und Wohnbebauung begrenzt. Die östliche Begrenzung bildete die Rückwand einer Portikus (C) und eines Raumes (B). Die nördliche Begrenzung hat sich nicht mehr erhalten. Der Hang fällt hier ab.

Zugang:

Der Eingang zum Heiligtum befindet sich zwischen zwei Läden (L). Er wird gebildet durch einen schmalen, leicht ansteigenden Korridor, an dessen Ende eine steil aufsteigende sechsundzwanzigstufige Treppe auf einen Hof hinaufführt. Unterbrochen ist der Korridor von einer kleinen Plattform, auf der links und rechts Bänke – die rechte ist mit einer Inschrift (IG XI.4, 1240, 1243.) versehen – stehen. Etwas östlich der Bänke wird der Korridor durch vorspringende Mauern verengt. An jener Stelle schmücken stuckierte Pilaster den Beginn der Treppe. Sie bilden den eigentlichen Eingang des Heiligtums. Auf Höhe der fünften Stufe ist in die Nordwand der Treppenwangen eine Nische (B 58 cm, H 82 cm, T 29 cm) eingelassen.

Abb. 11.2: Aufgang zum Heiligtum zwischen den Läden, vorne eine der zwei Bänke (Foto: K. Kleibl)

Hofarchitektur:

Das Heiligtum besteht aus einzelnen Räumen, die um einen gepflasterten Hof (~ 10 x 12 m) gruppiert sind. Die östlich liegende Portikus (C) ist höher als das Niveau des Hofes angelegt. Sie war über einige Stufen an ihrer Nordseite betretbar. In der Rückwand der Portikus sind fünf Nischen in gleichem Abstand zueinander eingelassen.

Vor dem Tempel (A), beginnend an seiner südwestlichen Ecke, wird durch eine nahezu axial verlaufende 4,20 m lange Bankreihe (H) eine kleine Fläche abgetrennt. An der südwestlichen Ecke des Hofes befinden sich zwei Bänke.

Abb. 11.3: Portikus C, hinten rechts Raum B, hinten links Tempel und Bankreihe (Foto: K. Kleibl).

Sakralbau:

Der kleine erhöht liegende Tempel (A) in der Nordwestecke des Hofes ist nach Süden ausgerichtet. Der Naos und der Pronaos haben eine Grundfläche von 7 x 4,5 m. An der Rückwand war eine Bank angebracht.

Abb. 11.4: Bankreihe vor Resten des Tempels (Foto: K. Kleibl).

Weitere kultische Stätten:

Von der Zugangstreppe aus ist der Raum G zu betreten, der auf seiner westlichen Seite mit drei kapellenartigen Räumen ausgestattet ist, die wohl Sarapis, Isis und Anubis geweiht waren.[1] Den Räumen gegenüberliegend standen drei Basen (Hörneraltäre?), die mit Inschriften versehen sind (IG XI, 1227. IG XI, 1228. IG XI, 1229.). In dem Raum G sind heute fünf Hörneraltäre aufgestellt, die vermutlich alle aus dem Heiligtum stammen.

Abb. 11.5: oben: Raum G mit Kapellen im Hintergrund, unten: Hörneraltäre (Fotos: K. Kleibl).

Opferstätten:

Vor der Südostwand des Hofes erkannte P. Roussel die Überreste eines Altars.[2] In Raum G befinden sich fünf Hörneraltäre.

Wassereinrichtungen:

Die von P. Roussel entdeckte Wasserkrypta (D) liegt östlich vom Tempel unter der Portikus (C) im mittleren Interkolumnium.[3] Der Zugang ist vom Hof aus möglich. Wie bei der Wasserkrypta im Sarapeion A führen hier 5 Stufen hinab zu einer rechteckigen halbunterirdischen nordsüdlich ausgerichteten Kammer. Sie ist 1,8 x 0,7 m groß und rechtwinkelig zur Treppe gelegen. Platten aus Gneis sollten Verschmutzungen, die aus dem Hof in die Wasserkrypta gelangen konnten, und Einblicke Unbefugter verhindern. Ein abgetrenntes Becken und ein Wasserzulauf bzw. ein Kanal wurden hier nicht gefunden und können auch nicht rekonstruiert werden. Der Boden und die Wände der Kammer waren mit einer dicken weißen Stuckschicht überzogen. Folglich wurde dieser Raum geschaffen, um Wasser darin aufzubewahren.[4] Im südlichen Teil der Wasserkrypta befindet sich eine kreisförmige Aushöhlung, die laut H. Siard durch Wasser entstanden ist.[5] Ob permanent Wasser in der Kammer stand, ist nicht zu sagen.

Wenige Mauerreste von der über der Krypta gelegenen Struktur sind erhalten geblieben. P. Roussel meint, dass es sich um eine überdachte Kammer handelte.[6] Das Dach wäre demnach überirdisch gelegen gewesen. Die fehlende Wasserzufuhr könnte also auch im zerstörten Teil des aufgehenden Mauerwerks gelegen haben, was bedeuten würde, dass das Wasser, wie in den Wasserkrypten von Gortyna und Pompeji, von oben herab floss. Die kreisförmige Einhöhlung am Boden spricht dafür. Entgegen der Meinung von P. Roussel und R.A. Wild könnte die Wasserkrypta auch von den umliegenden Dächern mit Regenwasser gespeist worden sein.[7] Falls es keine Zuleitung gab, wurde die Wasserkrypta möglicherweise von Hand aufgefüllt, was bei der Nähe des Heiligtums zum Inopus-Reservoir als durchaus wahrscheinlich gelten kann.

Abb. 11.6: Wasserkrypta (Foto: K. Kleibl).

Depot für Kultgegenstände: -

Versammlungsraum:

Die östliche Begrenzung des Heiligtums bildet eine Portikus (C), von der in nördlicher Richtung ein 6,5 x 3,5 m großer Raum (B) über eine Türschwelle begehbar ist, der auf einem etwas höheren Niveau als der Tempel liegt. Dieser wurde laut P. Roussel in einer späteren Bauphase hinzugefügt.[8] Vielleicht handelt es sich um einen Versammlungsraum wie Raum E im Sarapeion A.

Schulungsraum: -

Priesterunterkünfte:

Gegenüber dem Eingang zu Raum (G) lag der Zugang zu einem kleinen Raum (F), dessen Funktion nicht zu klären ist. Möglicherweise bildet er, wie in dem Plan von H. Siard zu sehen ist, den Übergang in einen privaten Teil eines Hauses bzw. zu einer Priesterwohnung.

Herbergen:

Die umliegenden Häuser oder auch die nahe gelegene Herberge des Theaterviertels (GD 113) könnte Unterkunft für die Pilger geboten haben.

Funde:

- eine Statue eines sitzenden Zeus-Sarapis[9]

- eine Statuette eines sitzenden Sarapis[10]

- eine Statuette eines sitzenden, halbnackten Horus[11]

- in Raum F: Füße einer Bank

Literarische und epigrafische Quellen (ggf. Münzen):

Literarische Quellen: -

Epigrafische Quellen:

vor 166 v. Chr.:

- RICIS 202/0134 (IG XI, 1223 = Roussel 1915/16, Nr. 20): Weihung von Bänken für Sarapis, Isis, Anubis.

- RICIS 202/0135 (IG XI, 1226 = Roussel 1915/16, 99, Nr. 21): Priester Kineas, Kultverein der Therapeutai, Melanephoroi, Sarapistai an Sarapis, Isis, Anubis.

- RICIS 202/0136 (IG XI, 1260 = Roussel 1915/16, 99, Nr. 22): Eunons an Sarapis, Isis, Anubis, Harpokrates.

- RICIS 202/0137 (IG XI, 1258 = Roussel 1915/16, 99, Nr. 23): Sarapis, Isis.

- RICIS 202/0138 (IG XI, 1261 = Roussel 1915/16, 100, Nr. 24): von Priester Kineas gestiftet, an Schulterfragment eines sitzenden Gottes.

- RICIS 202/0139 (IG XI, 1227 = Roussel 1915/16, 100, Nr. 25): Sarapistai des 10. Tages (Dekadisten), neun Männern und sieben Frauen; an der Spitze saß ein Synagogeus.

- RICIS 202/0140 (IG XI/4, 2228 = Roussel 1915/16, 101 Nr. 26): Die Leitung der Gruppe des 19. Tages (Enaisten) übernahm ein Archithiasites und Schreiber. Ebenso: RICIS 202/0141 (IG XI 1229 = Roussel 1915/16, Nr. 27)

- RICIS 202/0141-5 (IG XI 1243. 1240. 1268. 1269 = Roussel 1915/16, Nr. 28 a-d) Bänke im Eingangsbereich, an Sarapis, Isis, Anubis

- RICIS 202/0146 (IG XI, 1246 = Roussel 1915/16, 103, Nr. 29): Stiftung des Daches und der Mauern des Tempels.

- RICIS 202/0147 (IG XI, 1244 = Roussel 1915/16, 103, Nr 29bis): Sarapis, Isis, Anubis

- RICIS 202/0148 (IG XI, 1245 = Roussel 1915/16, 103, Nr. 29ter): Sarapis, Isis, Anubis

- RICIS 202/0149 (IG XI, 1251 = Roussel 1915/16, 103, Nr. 30): Sarapis, Isis, Anubis

- RICIS 202/0150 (IG XI, 1271 = Roussel 1915/16, 103, Nr. 31): Sarapis, Isis, Anubis

- RICIS 202/0151 (IG XI, 1270 = Roussel 1915/16, 104, Nr. 32): Sarapis, Isis, Anubis

- RICIS 202/0152 (IG XI, 1233 = Roussel 1915/16, 104, Nr. 33): Isis, Osiris

- RICIS 202/0153 (IG XI, 1292 = Roussel 1915/16, 104, Nr. 34): an Men

- RICIS 202/0154 (IG XI, 1266 = Roussel 1915/16, 104, Nr. 35): an Heron

- RICIS 202/0132 (IG XI, 1275 = Roussel 1915/16, 105, Nr. 36): Artemis Phosphoros

- RICIS 202/0155 (IG XI, 1265 = Roussel 1915/16, 105, Nr. 37): Weihung an Ammon (gefunden in Raum F)

- RICIS 202/0133 (IG XI, 1342 = Roussel 1915/16, 105, Nr. 38)

- RICIS 202/0159 (Roussel 1915/16, 105f., Nr. 39): Stelenfragment (Sonnenscheibe, Stern, Mondsichel)

- RICIS 202/0156 (ID 2202): an Hermes

- RICIS 202/0157: Weihung einer Statue

- RICIS 202/0158: Weihung einer Person von der Insel Astyphale

Datierung:

Gegründet: 202 v. Chr.

Zerstört: 88 v. Chr.[12]

Identifizierung:

Sarapis, Isis, Anubis

Lit.:

Roussel 1915/16, 33-46, 98-106, Pl. II (AP). Kater-Stibbes 1973, 59 Nr. 349. Wild 1981, 37, Abb. 15. Bruneau 1990. McLean 1996, 211-3. Siard 1998, 469-486. Egelhaaf-Gaiser 2000, 168 Anm. 33, 313. Bommas 2005, 58f., Abb. 73.


[1] Roussel 1915/16, 34.

[2] Roussel 1915/16, 45.

[3] Roussel 1915/16, Abb. 6.

[4] Bruneau (1990, 563) merkt an, dass Umwelteinflüsse die Stuckschicht heute fast zerstört haben, aber Reste des weißen Stucks dennoch zu erkennen seien. Dieser Stuck wurde auf Delos normalerweise für Wohnräume genutzt. Für Zisternen und andere Wassereinrichtungen verwendete man einen rosafarbenen Stuck. Die Krypta wird von P. Bruneau somit nicht als Wasserbehältnis interpretiert.

[5] Siard 1998, 486 Abb. 10.

[6] Roussel 1915/16, 45.

[7] Roussel 1915/16, 45 Anm. 2.

[8] Roussel 1915/16, 36. Eine der fünf Nischen ist durch die südliche Mauer von Raum B zum Teil überdeckt.

[9] H 0,54 m. Delos Museum, Inv. A 1990+2003.

[10] Delos Museum, Inv. A 1936.

[11] Roussel 1915/16, Abb. 7. H 60 cm. Inschrift: IG XI, 1261.

[12] Roussel 1915/16, 250, 98: wenn Inschrift Roussel 1915/16, 20=IG XI.4.1223 (196 v. Chr.) zum Sarapeion B gehörig. ID: 2202, 2217, 2655. Wild 1981, 173.

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